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Bote der Urschweiz

06.03.2024

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Kolumne

Kantönligeist als Verhinderer

 

Der Föderalismus ist eine Errungenschaft und gleichzeitig auch eine Stärke unserer Eidgenossenschaft. Doch das Prinzip leidet auch an seinen Grenzen. Kürzlich erzählte mir ein Anwalt aus einer Zürcher Kanzlei, wie die Zusammenarbeit der kantonalen Polizeikorps durch die Kantonsgrenzen erschwert wird: Der Austausch zwischen den einzelnen Kantonen sei deutlich schwieriger, als wenn eine kantonale Polizei Informationen zu einer kriminellen Person aus dem Schengenraum erhalten wolle. Die Spurensuche in der Schweiz scheitere häufig an den Kantonsgrenzen, was den Kriminellen in die Karten spiele.

Ein Bericht in der «NZZ» vom 19. Februar mit dem Titel «Autodiebe haben leichtes Spiel» bestätigte diese Aussagen weitgehend. Dort las ich, dass die Täter wenig zu befürchten hätten, da nur jeder vierte Fall aufgeklärt werde. Selbst wer Pech hat und vom Spürhund Bono von Morgenthau erschnüffelt wird, kommt in der Regel nach wenigen Stunden mit einer Geld-strafe wieder frei. Ist ein Serientäter besonders schlau, zieht er nach seiner Tat in den nächsten Kanton weiter und nutzt die fehlende gesamtschweizerische Polizeidatenbank zu seinem Vor-teil. Denn: Möchte die Polizei herausfinden, ob ein Dieb bereits in einem anderen Kanton erwischt worden ist, muss sie 25 Mails verschicken. So viel zum Föderalismus: Der Austausch mit ausländischen Behörden ist einfacher als mit dem Nachbarkanton.

Ich kann aus meinem beruflichen Umfeld – dem Gesundheitswesen – kaum über bessere Zustände berichten. Ein unkomplizierter Austausch von Patientendaten zwischen Kantons- und Universitätsspitälern ist kaum möglich. Zudem «wurschtelt» jeder Kanton an einer Spitalplanung. Vor Kurzem kündigten einzelne Ostschweizer Kantone ihre diesbezüglich geplante Zusammenarbeit.

Lobenswerte Ausnahme: der Kanton Luzern, der seit Jahren eine kantonsübergreifende Versorgung für die Zentralschweiz plant und damit auch die Grenzen des Föderalismus zu sprengen wagt. Das ist ein erster wichtiger Schritt. Doch der nächste Schritt, die optimale Verteilung der medizinischen Angebote auf die verschiedenen Standorte, ist genauso wichtig, um die Kräfte über die Kantonsgrenzen hinweg zu bündeln.

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Thierry Carrel

 

Er ist Herzchirurg am Universitätsspital Basel, Sozialvorsteher in Vitznau und Präsident der Winterhilfe Schweiz. Er amtet als Forscher und Berater bei in- und ausländischen Start-ups in medizinischer Technologie. Ausserdem ist er langjähriger Chefarzt der Universitätsklinik für Herz- und Gefässchirurgie am Inselspital Bern. Seine Freizeit verbringt er mit Musik (Posaune in Blas- und Sinfonieorchestern, Alphorn mit den Alphornfreunden Vitznau), Rennvelofahren und Kochen.

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